#TeleMuseion #MuseionCalling: Interview mit Anna Oberto

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Anna Oberto, Cérémonie pour Adèle H. Istituto Centrale per la Grafica Roma 2018. Foto: Sebastiano Luciano
02.04.2020

Die dritte Folge von #MuseionCalling: Diesmal antwortet die Künstlerin Anna Oberto (Ajaccio, 1934), die zu den wichtigsten Vertreterinnen/Vertretern der visuell-sprachlichen Kunst in Italien gehört. Ihre Arbeit ist Teil der Ausstellung Intermedia, Archivio di Nuova Scrittura.

„…und man findet viele Genossen der Straße / aber wenn man keine Angst hat / kommt die Piazza uns entgegen”.
aus Anna Obero, “Scritture d’amore / Diario. Rituale. Seduzione
” (1980-’82-’84)

Wo bist du gerade? Wie erlebst du diese Situation?

Ich bin in Genua, wo ich wohne.

Wie erlebst du diese Situation?

Indem ich sie in zwei Situationen aufteile. In meinen Bewegungen hat sich praktisch nichts geändert. Aufgrund der vielen Arbeit für Ausstellungen, Kooperationen und Publikationen gehe ich nur dann aus dem Haus, wenn es notwendig ist, zum Einkaufen, in die Apotheke, für dringende Besorgungen, so wie man es jetzt machen soll, und für Reisen aus beruflichen Gründen.

Auf der emotionalen Ebene fehlen mir die Kontakte zu Freunden, die ich nicht mehr sehen und zu mir einladen kann und die Treffen bei den Ausstellungen in der Stadt. Es bleiben E-Mails und Telefonate, auch von anderen Städten oder aus dem Ausland. Ich mag skype nicht besonders, meine technischen Fähigkeiten sind begrenzt,

Meine Reise an die Harvard University in Boston wurde annulliert. Ich war für einen Vortrag im Kurs über visuelle italienische Poesie von Professorin Dalila Colucci eingeladen worden, ein Publikumstermin und ein Interview waren bereits organisiert, die Flugtickets gebucht und bezahlt.

Aber das ist bedeutungslos angesichts des Leidens der Kranken und der vielen Toten, angesichts des enormen Verzichts und der Opfer, auch des eigene Lebens, das Ärzte, Pfleger und das gesamte Krankenhauspersonal, die Hausärzte sowie die Freiwilligen in den Krankenwagen bringen oder angesichts der Angst der Gouverneure und Bürgermeister in den am meisten betroffenen Regionen.

Im Briefverkehr mit dem Dichter, Freund und Kollegen Mario Diacono, der in Bosten lebt und den ich mit Harvard in Kontakt gebracht und eingeladen hatte, äußerten wir beide unser Bedauern, dass wir uns nicht treffen können – vielleicht ist es ja im Herbst möglich. Wir erinnerten uns auch an den zweiten Weltkrieg, den wir beide erlebt haben, und sagten uns, dass wir, wenn wir diesen Krieg durchgestanden haben – und in meinem Fall hieß das, in Schutzstollen, die Brutstätten für Infektionen und Krankheiten waren, lebendig begraben zu sein – auch diesen Krieg gegen das Virus überleben werden.

Ich bin mir bewusst, und vielleicht ist das leichtsinnig, dass die relative Abgeklärtheit, mit der ich diese neue biblische Plage erlebe, auf diese Erfahrung zurückzuführen ist. Wir sind so gestärkt, dass wir keine Angst mehr hatten, wenn wir uns mit anderen Tragödien auseinandersetzen, die das Leben für jeden von uns mit sich bringt.

- in den Texten zu meinen ersten drei Performances „Scritture d’amore / Diario. Rituale. Seduzione” (1980-’82-’84), schrieb ich diese Worte:
:
“… weibliche Schrift / Schrift wie das Leben / Leben als Beziehung / mit sich selbst und mit anderen / Schrift der Frau / am meisten geliebt und praktiziert / das Tagebuch der Liebesbrief / Schriften der Liebe / Neugründung der Ethik / Neugründung der Sprache / la valeur des rapports humains / la vie est le rapport / Utopie ist möglich / und man findet viele Genossen der Straße / aber wenn man keine Angst hat / kommt die Piazza uns entgegen”.

Eine Lektüre oder Tätigkeit, die Sie empfehlen würden – ein Musiktipp?

Empfolene Bücher: Il piacere è sacro. Il potere e la sacralità del corpo e della terra dalla preistoria ad oggi.
Di Riane Eisler  Forum 2012 und Le uova del drago, von Pietrangelo Buttafuoco, Oscar Mondadori
Empfohlene Musik: Antonio Vivaldi  Concerto for Mandolin in C Major und Richard Wagner   Tristan und Isolde. Prelude & Love Death

 

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