#TeleMuseion #MuseionCalling: Interview mit Alessandra Ferrini

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Alessandra Ferrini, A Bomb to be Reloaded (Chapter 1), dettaglio, 2019. Foto: Leonardo Morfini, OKNO studio.
07.04.2020

Die Künstlerin Alessandra Ferrini ist dem Aufruf gefolgt und hat TeleMuseion aus London geantwortet.

“Caring for myself is not self-indulgence, it is self-preservation, and that is an act of political warfare.”
Audre Lorde

Ferrini (Florenz, 1984), arbeitet gemeinsam mit einer Gruppe Jugendlicher „aus der Distanz” am Projekt ART WORKS! European Cultures of Resistance and Liberation für das Kleine Museion/Cubo Garutti. Im Mittelpunkt von ART WORKS! steht das Konzept des „Widerstands“ in der Gegenwartsgesellschaft.

Wo bist du gerade? Wie erlebst du diese Situation?

Ich bin in London, wo ich schon seit einigen Wochen zu Hause arbeite, auch wenn die Ausgangsbeschränkungen von der britischen Regierung erst vor Kurzem verhängt wurden. Bis jetzt ist diese Zeit voller Widersprüche. Momente des Friedens, der Solidarität und des Optimismus wechseln sich mit Perioden der Frustration, der Angst und der Entfremdung ab. Mit fällt es besonders schwer, die Konzentration aufrecht zu erhalten, aber ich weiß sehr gut, dass das in einem Moment furchtbaren Leidens, der allen viel Kraft abverlangt, ein sehr geringer Preis ist. Ich würde sagen, dass das eine Zeit ist, in der wir uns der Privilegien, die wir genossen und für normal gehalten haben, bewusst werden sollten.

Gibt es ein Bild, einen Satz oder einen Gedanken - der auch mit deinen Arbeiten verbunden ist, wenn du das wünscht - für die Zeit, die wir gerade erleben?

Gerade in diesen Wochen, während ich virtuell am Projekt ART WORKS! European Cultures of Resistance and Liberation im Museion arbeitete, hatte ich die Gelegenheit und das Vergnügen, mit einer an diesem Projekt beteiligten Gruppe von Jugendlichen darüber nachzudenken, was „Widerstand“ in diesem Moment bedeutet. Wie leistet man in der Isolierung Widerstand? Wir haben über die Notwendigkeit radikaler Fürsorge und Umsicht sowie über die mentale Kraft gesprochen, die diese Situation erfordert. Ein wichtiger Satz in diesem Zusammenhang stammt von Audre Lorde: Caring for myself is not self-indulgence, it is self-preservation, and that is an act of political warfare. Dieser Satz muss natürlich im breiteren Kontext des kulturellen Aktivismus verstanden werden und des radical black feminism dieser Autorin und nicht als Akt der Abschottung von anderen. Es handelt sich dabei eine Überlebensstrategie auf der Grundlage einer militanten und solidarischen Aktion des Widerstands.

Eine Lektüre oder Tätigkeit, die du empfehlen würdest – ein Musiktipp?

Im Einklang mit dem Zitat von Audre Lord würde ich sagen, dass sich dieser Moment gut dafür eignet, die Aktivierung feministischer Strategien in Gesellschaft, Pädagogik und Fürsorge (wieder) zu entdecken, aber auch, um sich an die systemimmanente Repression zu erinnern, auf die sich unsere Gesellschaft und das globale System stützen. Wenn halb Europa in einer Krise steckt, ist es leider sehr einfach, sich auf unsere eigenen Probleme zu konzentrieren und dabei die Ungerechtigkeit und die Gewalt zu vergessen, die Europa immer hervorgebracht hat – und die in diesen Momenten verstärkt werden. Ich denke, dass es entscheidend ist, umfassend zu analysieren, welche Auswirkungen diese Krise auf marginalisierte und unterdrückte Subjekte bereits hat und in Zukunft haben wird. Ein guter Ausgangspunkt ist sicher die von Igiaba Scego herausgegebene Textsammlung Future: il domani narrato dalle voci di oggi https://www.effequ.it/future/). Der Auseinandersetzung mit Berichten und Zukunftsperspektiven von elf sehr talentierten afro-italienischen Autorinnen kommt in einem Moment, in dem wir uns alle bemühen, uns eine von diesem Notstand radikal veränderte Zukunft vorzustellen, fundamentale Bedeutung zu.

 

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