Bulletin 2024.7 bis

Lesetipps für den Sommer: Klatsch, Bänke und ein Hörsaal. Alberto Garutti in den Worten von drei Schriftstellern

von Alessandra Riggione
Kleines Museion – Cubo Garutti. Eine Geschichte, exhibition view, 2024. Foto: Daniele Fiorentino

„Ich beginne den Unterricht bei Alberto Garutti, dem Fachkoordinator für den Studiengang Malerei, doch unterrichtet er selbst nicht Malerei, da er kein Maler ist: Er ist vor allem für seine Installationen öffentlicher Kunst bekannt.“ So lernt der 20-jährige Protagonist von Jonathan Bazzis Romans Corpi minori, der unbedingt Künstler werden will, „den besten Lehrer an der Brera“ kennen.
Bazzis Roman gehört zu unseren sommerlichen Leseempfehlungen in dieser Ausgabe des Bulletins. Dabei handelt es sich um die Werke von Schriftstellern, die der Person Garuttis einige Seiten gewidmet haben. Wenngleich er in den Büchern selbst keine Hauptrolle spielt, lassen sie doch sein großes Charisma als Dozent sowie die Ausdruckskraft und Poesie einiger seiner berühmten Werke anschaulich werden.

In Bazzis Roman Corpi minori erweist sich Garutti als ein ernster und gestrenger, doch auch väterlicher Lehrer, der die Studierenden dazu anregt, eigene Ideen zu präsentieren und Verantwortung für ihre Entscheidungen zu übernehmen. So stellen sie sich dem Urteil anderer, etwa jenem der Kommiliton*innen oder auch – im Vorausblick auf die Zukunft – dem von Vertreter*innen des Kunstbetriebs, denen die jungen Künstler und Künstlerinnen nach ihrem Abgang von der Akademie begegnen werden. Der Protagonist findet schließlich eine ausgesprochen radikale Lösung für die Herausforderung, vor die ihn sein Lehrer stellt.

Umschlag Jonathan Bazzi, Corpi minori, Mondadori, Rom 2022

Das zweite Buch, das wir vorschlagen möchten, ist Beppe Sebastes Panchine. Come uscire dal mondo senza uscirne: eine Lobrede auf die Bank als einen öffentlichen und kostenfrei zugänglichen Ort der Ruhe, der auch im Werk Alberto Garuttis einen hohen Stellenwert einnahm. In seinem Buch berichtet der Autor von einem Gespräch mit Garutti, der in Bänken „eine sehr schöne Idee der Gastfreundschaft und des Willkommenheißens“ sah: eine soziale Dimension mithin, die neben einer eingehenden Untersuchung des jeweiligen städtischen und ländlichen Umfeldes auch Berücksichtigung in einigen von Garuttis bekanntesten Projekten fand. Darüber hinaus beleuchtet das Zwiegespräch auch die Entscheidung des Künstlers, den Rahmen des Museums zu verlassen und poetische, künstlerische und von allen zu benutzende Objekte zu gestalten, die für den außermusealen Bereich gedacht sind. So wie Bänke auch.

Umschlag Beppe Sebaste, Panchine. Come uscire dal mondo senza uscirne, Laterza, Rom 2008

Der dritte und letzte Band, Le aziende in-visibili von Marco Minghetti, stellt ein besonders komplexes literarisches Unterfangen dar: Nach dem Vorbild von Italo Calvinos Unsichtbaren Städten hat der Autor in einem kollektiv entstandenen Buch das Wissen von hundert Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Kultur zusammengetragen. Eine Episode des Buches (Kapitel IX, Nr. 119) ist inspiriert von der berühmten Fotoserie Storie d’amore, die Garutti für das römische Ospedale Sant’Andrea über in diesem Krankenhaus geknüpfte Liebesbeziehungen geschaffen hat, und trägt den Titel „Klatsch“. Hierzu äußerte sich der Künstler so: „Das Thema des Klatsches ist hochinteressant. Ich denke da etwa an jahrhundertelang auf mündlichem Wege überliefertes Kulturwissen und an heutige Systeme der Informationsverbreitung. Das Internet und die Blogs … sind im Grunde eine einzige Gerüchteküche, die sich unbegrenzt verbreitet.“

Umschlag Marco Minghetti, Luigi Serafini, Le aziende in-visibili. Romanzo a colori, Scheiwiller, Rom 2008

Die Leseanregungen rund um die Person Alberto Garuttis verbinden sich mit der Ausstellung Kleines Museion – Cubo Garutti. Un racconto, die anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Cubo Garutti im Bozner Stadtteil Don Bosco zu sehen ist. Der Kubus wurde 2003 von dem kürzlich verstorbenen Künstler Alberto Garutti (1948 – 2023) geschaffen und von der Abteilung Italienische Kultur der Autonomen Provinz Bozen in Auftrag gegeben.
Die Ausstellung wird noch bis zum 01.09.2024 in der Museion Passage fortgesetzt. Sie möchte zum Nachdenken über den Wert von Kunst im öffentlichen Raum unserer Zeit anregen und wirft einen Blick auf die Gegenwart und Zukunft dieses besonderen Beispiels Bozner Architektur.

Bulletin 2024

Die Stiftung MUSEION. Museum für modern und zeitgenössische Kunst sucht ein*e Mitarbeiter*in für die Aufsicht mit Vermittlungsaufgaben

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